Konf: Säkularisierung oder Rückkehr des Religiösen? "
| Veranstalter: | Friedrich-Ebert-Stiftung Archiv für Sozialgeschichte, Bonn Bonn | 
| Datum, Ort: | 16.09.2010-17.09.2010, Konferenzsaal II | 
| Deadline: | 12.09.2010 | 
Autoren-Workshop des Archivs für Sozialgeschichte: 
Säkularisierung oder Rückkehr des Religiösen? Gesellschaft und Religion seit der Mitte des 20. Jahrhunderts 
Traditionelle Formen von Religion, Religiosität und kirchlichen  Bindungen haben in Europa nach 1945 an Bedeutung verloren. Dieses  vielfach als Säkularisierung beschriebene Phänomen bildet den  Ausgangspunkt für den Band 51 des Archivs für Sozialgeschichte.  Vergleiche mit zeitgleichen, aber teils gegenläufigen Entwicklungen  nicht zuletzt in den USA, Lateinamerika, Afrika und Asien sowie mit  deren Rückwirkungen auf Europa sollen Aufschluss über die  allgemein-kulturelle Bedingtheit von Religiosität geben und den Blick  für deren jeweilige gesellschaftliche Relevanz schärfen. 
Der in Europa zu beobachtende Prozess der Säkularisierung wird  gewöhnlich mit der sozio-ökonomischen Modernisierung, Rationalisierung  und funktionalen Ausdifferenzierung der betroffenen Gesellschaften  erklärt. Tatsächlich ging der Einfluss des Christentums als der auf dem  Kontinent vorherrschenden Religion seit der Mitte des 20. Jahrhunderts  zurück, was besonders die christlichen Kirchen zu spüren bekamen. Die  Bindekraft gewachsener Milieus schwand, während auf Individualismus  bedachte Lebensstile vornehmlich in den westeuropäischen Staaten zur  Distinktion und Profilierung dienten. Zudem boten neue soziale  Bewegungen konkurrierende, als modern empfundene und häufig eher  flüchtige Vergemeinschaftungsformen an, ohne allerdings tiefgehende  Deutungsangebote für die „letzten Dinge“ zu unterbreiten. In Osteuropa  erreichte die Säkularisierung, abgesehen von Sonderfällen wie Polen,  unterdessen ein noch wesentlich größeres Ausmaß. Die ideologisch  motivierte Anti-Kirchenpolitik der herrschenden Staatsparteien  marginalisierte Religion im öffentlichen wie privaten Leben gezielt. 
Allerdings ist das Konzept der Säkularisierung in den letzten  Jahren zunehmend in die Kritik geraten. Es wurde sogar als  Prokrustes-Bett für die Geschichte von Religion und Kirche nach dem  Zweiten Weltkrieg bezeichnet, als untaugliche „Meistererzählung“, die  mit ihrer auf Europa fixierten Perspektive zu monokausalen  Erklärungsmustern neige. Daher sind die Belastbarkeit und Aussagekraft  des Säkularisierungskonzepts eingehend zu prüfen, wobei die bereits  erwähnten vergleichenden Studien einer eurozentristischen  Herangehensweise entgegenwirken sollen. Womöglich lässt sich sogar von  einer Rückkehr des Religiösen sprechen. Auf jeden Fall erhalten auf  diese Weise alternative, auf kulturelle Unterschiede abhebende  Interpretationen größere Aufmerksamkeit. So nahm in den USA die  Einflussnahme des Evangelikalismus auf die Politik spätestens ab den  1970er Jahren erheblich zu, was den scheinbar offenkundigen Zusammenhang  zwischen Modernität und fortschreitender Säkularisierung – nicht allein  für außereuropäische Räume – nachhaltig in Frage stellt. Näher  beleuchtet werden darüber hinaus, mit ihren Auswirkungen auf Europa, die  Befreiungstheologie in Lateinamerika als dezidiert  gesellschaftskritische Kraft, das Anwachsen des politischen Islams in  Afrika sowie in Asien virulente Säkularismus- und Religionskonzepte. 
Auch in Europa blieben Religion und kirchliche Bindungen  wirkungsmächtige Faktoren. Angebracht ist somit keine Geschichte des  Niedergangs, sondern der Anpassung und Transformation angesichts sich  verändernder gesellschaftlicher Rahmenbedingungen. Wie gezeigt werden  soll, entfalteten die von der Säkularisierung herausgeforderten  christlichen Kirchen ein beachtliches Reform- und Erneuerungspotenzial.  Gleichzeitig weiteten sich die Optionen für religiöse Aktivitäten  jenseits dieses tradierten Ordnungsrahmens beträchtlich aus. Der Islam  erhielt infolge der Arbeitsmigration immer mehr Anhänger, zudem gewannen  Sekten und esoterischen Strömungen an Bedeutung. Von einer umfassenden  Verweltlichung kann also nur schwerlich die Rede sein.
Donnerstag, 16. September 2010 
11.00 Uhr
BEGRÜßUNG UND EINFÜHRUNG
Anja Kruke/Meik Woyke, Bonn 
11.15 Uhr
Eröffnungsvortrag
DIE NEUKODIERUNG DES GLAUBENS. RELIGIÖSE AUF- UND UMBRÜCHE SEIT 1945
Benjamin Ziemann, Sheffield 
THE PEOPLE OF NO RELIGION: THE RISE OF ATHEISM, AGNOSTICISM, FREETHINKING AND HUMANISM IN THE NORTH ATLANTIC WORLD SINCE 1960
Callum Brown, Dundee 
DAS WECHSELVERHÄLTNIS VON MIGRATION UND RELIGION NACH 1945 – GRUNDPROBLEME UND TENDENZEN DER FORSCHUNG
Jochen Oltmer, Osnabrück 
Moderation: Meik Woyke, Bonn 
13.00 Uhr Mittagessen 
14.00 Uhr
TRANSMISSION UND EVENTUELLE KIRCHE. BEOBACHTUNGEN ZU KIRCHEN-,  KATHOLIKEN- UND WELTJUGENDTAGEN ZWISCHEN RELIGION UND GESELLSCHAFT
Harald Schroeter-Wittke, Paderborn 
VON PILGERFAHRTEN ZU PROTESTMÄRSCHEN? ZUM WANDEL DES KATHOLISCHEN  FRIEDENSENGAGEMENTS IN DEN USA UND DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND,  1945–1990
Daniel Gerster, Florenz 
DER STREIT UM DIE BERGPREDIGT. CHRISTEN IN DER FRIEDENSBEWEGUNG ZWISCHEN GLAUBE UND POLITIK (1977–1984)
Jan Ole Wiechmann, Marburg 
Moderation: Anja Kruke, Bonn 
15.45 Uhr
FROM CATHOLIC HEGEMONY TO PLURALISM. RELIGION AND PUBLIC LIFE IN ITALY FROM 1945
Franco Garelli, Turin 
A SECULARISED CHURCH AND THE RELIGIOUS STATE – THE DEVELOPMENT BETWEEN STATE AND CHURCH IN POST-WAR NORWAY
Øivind Kopperud, Oslo 
KIRCHLICHE PRÄSENZ IN DER FABRIK:
DAS EXPERIMENT DER FRANZÖSISCHEN ARBEITERPRIESTER
Veit Straßner, Mainz/Christian Bauer, Tübingen 
Moderation: Dieter Dowe, Sankt Augustin 
17.30 Uhr Kaffeepause 
18.00 Uhr
DIE KATHOLISCHE WELLE DER STUNDE NULL. ZUR „KATHOLISCHEN AKTION“ IM  NACHKRIEGSEUROPA (1945–1960). DEUTSCHLAND, ITALIEN UND FRANKREICH IM  VERGLEICH
Klaus Große Kracht, Münster 
EVANGELIZING LONDON, BERLIN, NEW YORK: EVANGELICAL TRANSNATIONALISM AFTER 1945
Uta Andrea Balbier, Washington 
DIE PFINGSTBEWEGUNG ALS ALTERNATIVE ZUR SÄKULARISIERUNG? ZUR  AKADEMISCHEN WAHRNEHMUNG EINER GLOBALEN RELIGIÖSEN BEWEGUNG DES 20.  JAHRHUNDERTS
Jörg Haustein, Heidelberg 
Moderation: Beatrix Bouvier, Bonn 
20.00 Uhr
Gemeinsames Abendessen im Politischen Club der Friedrich-Ebert-Stiftung 
Freitag, 17. September 2010 
10.00 Uhr
„ZWISCHEN BEICHTSTUHL UND BARRIKADEN“. RELIGION ALS RESSOURCE DER  INDIGENEN BEVÖLKERUNG GEGEN STAATLICHE MODERNISIERUNGSPROJEKTE IN MEXIKO  1950–1980
Heiko Kiser, Münster 
DIE 32. GENERALKONGREGATION DER GESELLSCHAFT JESU 1974/75 ODER WIE DIE BEFREIUNGSTHEOLOGIE NACH ROM KAM
Antje Schnoor, Münster 
DESMOND TUTU AND THE ANTI-APARTHEID MOVEMENT
Patrick Harries, Basel 
Moderation: Patrik von zur Mühlen, Bonn 
12.00 Uhr Mittagessen 
13.00 Uhr
DIE KIRCHEN ALS SCHLÜSSEL ZUR POLITISCHEN MACHT? KATHOLIZISMUS,  PROTESTANTISMUS UND SOZIALDEMOKRATIE IN DER ZWEITEN HÄLFTE DES 20.  JAHRHUNDERTS
Rainer Hering, Schleswig/Hamburg 
DIALEKTIK ODER KYBERNETIK? WISSENSCHAFTLICHE RESSOURCEN RELIGIÖSEN WISSENS IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (1965–1990)
Pascal Eitler, Berlin 
ZWISCHEN SÄKULARISIERUNG UND AMBIVALENZ IM GESCHLECHTERKAMPF –  ABTREIBUNGSRECHT UND RELIGIÖSE ARGUMENTATIONSMUSTER: SCHWEIZ,  FRANKREICH, DEUTSCHLAND, ITALIEN, 1967–1981
Dagmar Herzog, New York 
„RELIGION ALS INTEGRATIONSHINDERNIS“. DIE ENTWICKLUNG DES KIRCHLICHEN ISLAM-DISKURSES IN DER BUNDESREPUBLIK
Thomas Mittmann, Bochum 
Moderation: Friedhelm Boll, Bonn 
15.15 Uhr Kaffeepause 
15.45 Uhr
KONFUZIANISMUS IN FESTLANDCHINA – SUCHE NACH ZUKUNFTSFÄHIGKEIT ZWISCHEN ZIVILGESELLSCHAFT UND ZIVILTHEOLOGIE
Monika Gänßbauer, Erlangen 
ENTSÄKULARISIERUNG ALS GEGENENTWURF ZUM EUROPÄISCHEN MODELL?  KONZEPTIONEN DER VERHÄLTNISBESTIMMUNG VON RELIGION UND POLITIK IN AFRIKA  UND ASIEN
Frieder Ludwig, Hermannsburg 
Moderation: Michael Schneider, Kalenborn 
17.00 Abschlussdiskussion
Moderation: Meik Woyke, Bonn 
18.00 Ende des Workshops 
Zusätzliche Beiträge 
SÄKULAR ODER RELIGIÖS? JÜDISCHES LEBEN IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
Michael Brenner, München 
NEGOTIATING EMBODIED DIFFERENCE: VEILS, MINARETS, KIPPAS AND SUKKOT IN CONTEMPORARY EUROPE
Leora Auslander, Chicago 
GLOBALISED EUROPE: THE TRANSFORMATION OF THE RELIGIOUS LANDSCAPE IN EUROPE
Patrick Pasture, Leuven 
RELIGION, KIRCHE, STAAT UND OPPOSITION IN AUSGEWÄHLTEN LÄNDERN OSTEUROPAS
Detlef Pollack, Münster 
SÄKULARISMUSKONZEPTE IM FRÜHEN POSTKOLONIALEN INDIEN, INDONESIEN UND SINGAPUR 1947-1970
Clemens Six, Bern 
Bei Fragen zur barrierefreien Durchführung der Veranstaltung wenden Sie sich bitte vor dem Workshop an uns.
| Kontakt: | Meik Woyke Friedrich-Ebert-Stiftung, Archiv für Sozialgeschichte, Schriftleiter, Godesberger Allee 149, 53175 Bonn  + 49 (0)228 / 883 - 8068  + 49 (0)228 / 883 - 9209 meik.woyke@fes.de  | 
| URL: | http://www.fes.de/afs | 
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